„Die Justiz ist dort am erbarmungslosesten wo man ihr den geringsten Widerstand entgegensetzt“
Werner Schmidt-Hieber, Oberstaatsanwalt Stuttgart, 1990
„Freisprüche sind nahezu stets Fehlurteile“
Friedrich-Karl Föhrig,
Vorsitzender Richter am Landgericht Berlin, 2007
„Strafverteidigung ist Kampf“
Hans Dahs, Strafverteidiger, 1999
Strafverteidigung und Strafverfahren
Starke Strafverteidigung bedarf der Mithilfe des Mandanten. Die folgenden Tipps können zwar individuellen anwaltlichen Beistand nicht ersetzen. Sie können aber dazu beitragen, dass Sie die Grundlage für eine erfolgreiche Verteidigung schaffen.
JEDEN VORWURF ERNST NEHMEN
Wird der Vorwurf einer Straftat geäußert oder sonst in den Raum gestellt, ist dies unbedingt von Anfang an ernst zu nehmen. Denn auch ohne förmliche „Strafanzeige“ muß die Staatsanwaltschaft, wenn und sobald sie von einem Verdacht erfährt, von sich aus ein Ermittlungsverfahren einleiten. Es spielt daher in aller Regel keine Rolle, ob jemand „Anzeige erstattet“ oder die „Anzeige wieder zurücknimmt“: Haben die Ermittlungsbehörden ersteinmal Kenntnis von dem Verdacht einer Straftat, so lassen sich die Ermittlungen grundsätzlich nicht mehr aufhalten. Und für einen „Anfangsverdacht“ – und damit ein Ermittlungsverfahren – reichen Polizei und Staatsanwaltschaft stets schon die bloße Behauptung eines angeblichen Zeugen, daß eine Straftat begangen worden sein soll oder andere geringfügige Indizien.
DER GANG DES VERFAHRENS IM ÜBERBLICK
Für gewöhnlich ermittelt zunächst die Polizei, wenn sie – aufgrund von Anzeigen oder aus eigener Beobachtung heraus – verdachtsbegründende Umstände erfährt, den Sachverhalt aus.
Sodann leitet sie die Akte an die Staatsanwaltschaft weiter, die das Verfahren entweder einstellt (sanktionslos wenn sich eine Straftat nicht nachweisen lässt oder ggf gegen Auflagen) oder aber Anklage erhebt, wenn sie der Ansicht ist, daß eine Verurteilung wahrscheinlich ist. Einen Sonderfall der Anklage stellt das sog. Strafbefehlsverfahren dar: Hierbei wird schriftlich eine bestimmte Strafe verhängt und es kommt nur dann zur Verhandlung, wenn der Beschuldigte die Ahndung nicht akzeptieren möchte und Einspruch einlegt.
Wird angeklagt kommt es zu einer Verhandlung vor dem Amts- oder Landgericht. Das Urteil des Amtsgerichts ist dann mit der Berufung zum Landgericht, dieses dann wiederrum mit der Revision zum Oberlandesgericht angreifbar. U.U. kann die Berufungsinstanz übersprungen und gleich Revision eingelegt werden. Was sinnvoller ist, hängt vom Einzelfall ab. Findet die erstinstanzliche Verhandlung vor dem Landgericht statt – was bei schwerwiegenden Straftaten der Fall ist – kann das Urteil nur mit der Revision zum Bundesgerichtshof angefochten werden.
Der Unterschied zwischen Berufung und Revision liegt darin, daß bei einer Berufung die gesamte Verhandlung neu aufgerollt wird, während in der Revision – in aller Regel im schriftlichen Verfahren – nur geprüft wird, ob das Gericht formelle Fehler begangen hat und deshalb das Urteil aufgehoben wird. Auf den ersten Blick erscheint daher die Berufung das sinnvollere Rechtsmittel zu sein. Praktisch findet aber oftmals eine wirklich faire Verhandlung erst dann statt, wenn nach erfolgreicher Revision die Sache zur neuen Verhandlung an ein anderes Gericht zurückverwiesen wird.
Den Kern des Verfahrens, in dem durch die Verteidigung am meisten zu bewegen ist, bildet der Verfahrensabschnitt bei der Staatsanwaltschaft. Die Staatsanwaltschaft ist Argumenten gegenüber noch offen und entscheidet meist relativ fair, objektiv und mit Augenmaß darüber ob sich eine Verurteilung erreichen lässt oder ob das Verfahren einzustellen ist.
Erstes Ziel einer jeden Verteidigung ist es daher, das Verfahren noch im Vorverfahren, also bei der Staatsanwaltschaft zur Einstellung zu bringen.
Ist hingegen ersteinmal Anklage erhoben, ist der von der Staatsanwaltschaft aufbereitete Akteninhalt meist im Kopf des Richters schon derart „festgefahren“, daß ein Freispruch – zumindest in erster Instanz – leider wenig wahrscheinlich ist. Gelingt es in der Hauptverhandlung die Anklage zu erschüttern kommt es in der Praxis noch eher zu einem Deal, einer Absprache über eine milde Strafe oder einer Verfahrenseinstellung, u.U. gegen Auflagen.
Hinzu kommt ein psychologisches Moment: Für den Richter ist es meist einfacher zu verurteilen als freizusprechen, da er dann praktisch nur die Anklage der Staatsanwaltschaft abzuschreiben braucht. Hinzu kommt, daß er im Fall eines Freispruchs immer damit rechnen muß, daß die Staatsanwaltschaft sicher Berufung einlegt und damit die Akte nicht „erledigt“ ist, während im Fall der Verurteilung der Angeklagte nur vielleicht (etwa weil er die finanziellen Mittel nicht hat) in die Berufung geht.
UNTERSUCHUNGSHAFT ?
Bei schwerwiegenderen Straftaten (z.B. Raub, Betrug mit höherem Schaden, Körperverletzungsdelikten mit erheblichen Folgen, Brandstiftungsdelikten, Sexualdelikten etc) oder wenn der Beschuldigte vorbestraft ist und dementsprechend eine Freiheitsstrafe ohne Bewährung auf dem Spiel steht, ist dies für Staatsanwaltschaft und Ermittlungsrichter stets Grund genug, einen Fluchtanreiz anzunehmen, der es rechtfertigt den Betroffenen bis zur Verhandlung in Haft zu nehmen.
Den Gerichten reichen erschreckend vage Verdachtsmomente aus um einen Haftbefehl zu erlassen: In der Regel genügen bereits die bloßen, nicht näher überprüften Angaben des angeblichen Opfers oder anderer „Zeugen“, sofern diese nicht offensichtlich völlig abwegig oder widersprüchlich sind: Den Zeugen wird in aller Regel zunächst relativ unkritisch geglaubt.
Oftmals erfolgt die Inhaftierung auch, um dem Beschuldigten zunächst einmal einen „Schrecken“ einzujagen und eine Geständnis- und Kooperationsbereitschaft zu fördern. Dennoch sollten Sie sich nicht verleiten lassen, in dieser frühen Lage des Verfahrens etwas zu sagen. Solche sog. „apokryphen“ Haftbefehle können oft im ersten Haftprüfungstermin (meist ca 2 Wochen nach der Verhaftung) gegen Auflagen (Meldeauflage, ggf Kaution) außer Vollzug gesetzt werden, insb. wenn der Tatvorwurf nicht allzu gravierend ist. Gibt jedoch der Betroffene sein Schweigerecht auf, ermöglicht er damit u.U. einen Tatnachweis der ohne diese Angaben nicht zu führen gewesen wäre und verschlechtert damit seine Lage regelmässig ganz erheblich. Es sollte grundsätzlich nicht um den Preis einer vorläufigen raschen Haftentlassung ein Geständnis abgelegt werden, dessen Folgen für das weitere Verfahren völlig unabsehbar sind. Sofern dennoch diese Option einmal ernstlich erwogen werden sollte, ist das Für und Wider sorgfältig unter anwaltlicher Beratung abzuwägen.
GEFÄHRLICH: ERMITTLUNGEN OHNE INFORMATION
Oftmals erfahren Sie monatelang nichts davon, daß Polizei und/oder Staatsanwaltschaft bereits umfangreich gegen Sie ermitteln, Akten sichten, Zeugen verhören oder Gutachten einholen.
Auch wenn Sie sich relativ sicher sein mögen, daß Sie sich nichts zu schulden haben kommen lassen oder Ihnen nichts nennenswertes nachgewiesen werden kann:
Sie kennen den Ermittlungsstand nicht. Es kann durchaus sein, daß man Ihnen Dinge anzuhängen versucht, mit denen Sie tatsächlich nichts zu tun haben, aber Indizien auf Ihre Täterschaft – ggf in ganz anderen Fällen – hinzudeuten scheinen und man versucht insofern einen Tatverdacht zu untermauern.
ANWALTLICHE HILFE: JE FRÜHER DESTO BESSER
Je früher der Anwalt Sie beraten kann, desto eher kann er verhindern, daß Sie Fehler machen, die Sie später nicht mehr berichtigen können. Die Weichen für das weitere Verfahren werden bereits zu Beginn gestellt. Ggf kann noch ein Strafverfahren ganz abgewendet oder belastenden Zeugenaussagen vorgebeugt werden. Läuft bereits ein Verfahren, kann der Anwalt durch Akteneinsicht wertvolle Informationen beschaffen und auswerten. Auch lassen sich ggf Strategien zur Vermeidung von Untersuchungshaft erarbeiten.
Wir erhalten Einsicht in die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakten und werden diese in der Regel vollständig kopieren und Ihnen einen Kopiensatz zur Verfügung stellen damit Sie über den Ermittlungsstand, incl. sämtlicher Zeugenaussagen und sonstigem Belastungsmaterial umfassend informiert sind. Gemeinsam erörtern wir dann die erfolgversprechendste Verteidigungsstrategie.
SCHWEIGEN IST GOLD
In jedem Fall gilt zunächst: Schweigen ist Gold.
Nach deutschem Recht ist niemand gezwungen an seiner eigenen Überführung mitzuwirken. Jeder, der beschuldigt wird hat nicht nur das Recht zu schweigen sondern kann selbst für eine Lüge nicht bestraft werden. Allerdings: Wer schweigt, legt keine Fährten. Wer – auch in Nebenpunkten – lügt, setzt sich der Gefahr aus, daß die Lügen widerlegt werden und schafft neue Ansatzpunkte für die Ermittler. Der Beschuldigte kann im frühen Verfahrensstadium – da er den wahren Ermittlungsstand nicht kennt – die Tragweite von Angaben regelmäßig nicht zutreffend einschätzen.
Egal was passiert, selbst wenn Sie durch einen Haftbefehl überrascht und überrumpelt werden sollten: Keine Aussage ohne Akteneinsicht. Alles was Sie sagen wird rigoros gegen Sie verwendet. Die Polizei ist nicht daran interessiert, Sie zu entlasten. Was Sie sagen wird so lange gedreht, gewendet, ggf entstellt und aus dem Zusammenhang gerissen, bis es ins Bild der Anschuldigung passt. Ihre Aussage lässt sich dann praktisch nicht mehr rückgängig machen. Ein späterer „Widerruf“ ist praktisch nicht möglich und würde Sie vollends unglaubwürdig machen.
Die eigenen Angaben des Beschuldigten dienen in vielen Verfahren als Grundlage für die einfachste Verurteilung: Der Richter braucht dann nur noch die anderen Indizien um Ihre eigene Aussage herumzuranken. Deutlich schwieriger ist es für den Richter zu verurteilen, wenn es keine Aussage des Beschuldigten gibt und der Verteidiger noch die Möglichkeit hat, die Glaubhaftigkeit der Belastungsaussage in jeder Richtung anzugreifen.
Evtl. haben Sie das Bedürfnis, mit jemanden über die Anschuldigungen zu sprechen. Hierbei sollten Sie jedoch äußerst vorsichtig sein: Denn grundsätzlich kann und wird alles (auch „Nebensächlichkeiten“) gegen Sie verwendet werden, was Sie Dritten gegenüber angeben: Sämtliche Personen können als sog. „Zeugen vom Hörensagen“ vernommen werden. Und sofern diese Ihre Äußerungen – sei es auch nur in Nuancen – anders in Erinnerung behalten, als Sie es ggf später einmal im Laufe der Auseinandersetzungen oder Verfahren schildern, wird dieser Umstand von der Gegenseite gezielt aufgegriffen werden um Ihre Glaubwürdigkeit in Frage zu stellen oder vollends zu zerstören.
Daher empfehlen wir, nur mit Personen zu sprechen, die entweder einer Schweigepflicht unterliegen (Anwälte, Ärzte, Psychotherapeuten etc) oder aber die ein gerichtliches Aussageverweigerungsrecht haben (und dieses auch wahrnehmen!), z.B. nahe Verwandte, Ehepartner. Keinesfalls sollten Sie sich detailliert gegenüber den Anschuldigungen „rechtfertigen“, z.B. wie etwa „das kann gar nicht sein, weil ich zu dem Zeitpunkt gar nicht da war“ oder „wenn das stimmen würde, dann hätte X und Y sich doch ganz anders verhalten“. Bleiben Sie allgemein, sprechen Sie ggf darüber was Ihnen vorgeworfen wird, aber versuchen Sie nicht sich ggü Dritten zu erklären.
Grundsätzlich ist niemand – also weder der Beschuldigte noch „Zeugen“ – verpflichtet vor der Polizei auszusagen oder einer Ladung zur Polizei Folge zu leisten. Das ist nur dann der Fall, wenn der Ladung ein staatsanwaltschaftlicher Auftrag zugrunde liegt. Gehen Sie nicht hin. Auch im Fall einer Verhaftung muß (und sollte) nichts gesagt werden. Eine Pflicht zum Erscheinen besteht nur vor der Staatsanwaltschaft oder vor Gericht. Auch „Zeugen“ sollten deshalb vor der Polizei grundsätzlich keine Angaben machen: Oft wird nämlich der „Zeuge“ später selbst zum Beschuldigten (z.B. als Beihelfer etc) und ist dann an seine Angaben praktisch gebunden.
Gehen Sie auch auf gar keinen Fall zum „Gegenangriff“ über, indem Sie Gegenanzeige wegen Verleumdung etc erstatten. Derartiges erweist sich hat fast immer als Eigentor – und vernichtet Ihr wichtigstes Verteidigungsmittel: Ihr Schweigerecht.
HAUSDURCHSUCHUNG
Gegen eine Durchsuchung Ihrer Wohnung können Sie zunächst nichts tun – egal ob sie nun zu Recht oder unrecht erfolgt. Allenfalls können Sie im Nachhinein einen Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Maßnahme stellen.
Deshalb: Bleiben Sie ruhig und lassen Sie die Beamten machen. Sie sind nicht verpflichtet aktiv mitzuwirken oder gar die gesuchten Gegenstände herauszugeben. Auch wenn abzusehen ist, daß die Beamten etwas finden werden, sollten Sie die jeweiligen Dinge nicht „freiwillig“ übergeben. Zwar können Sie damit u.U. verhindern, daß Ihre Wohnung nicht noch mehr als ohnehin verwüstet wird. Aber der Umstand, daß Sie etwas persönlich übergeben verbaut Ihnen im weiteren Verfahren die Möglichkeit sich damit zu verteidigen, die jeweiligen Dinge würden nicht Ihnen gehören oder Sie hätten von deren Existenz nichts gewusst.
Lassen Sie sich auch in der Streßsituation einer Durchsuchung nicht dazu verleiten, Ihr Schweigerecht aufzugeben. Sagen Sie nichts, beantworten Sie keine Fragen und machen Sie auch keine „Spontanäußerungen“ in „informellen“ Gesprächen oder vermeintlichen „Plaudereien“, auch wenn Ihnen „zugesichert“ werden sollte, das dies „nicht ins Protokoll“ käme: Fakt ist: Alles was Sie sagen oder wie Sie sich verhalten wandert in einen Aktenvermerk und wird gegen Sie verwendet.
Hausdurchsuchungen kommen überraschend: Oft erfahren Sie erstmalig durch die Durchsuchung, daß überhaupt ein Ermittlungsverfahren gegen Sie anhängig ist.
Aber auch wenn ein Verfahren bereits seit längerem schwebt, warten die Beamten mit einer bereits angeordneten Durchsuchung oftmals aus taktischen Gründen einige Zeit und schlagen erst dann zu, wenn sich der Betroffene in vermeintlicher Sicherheit wähnt, z.B. weil er seit längerem nichts mehr von der Sache gehört hat und ggf meint, sie hätte sich erledigt. Durchsuchungsbeschlüsse sind nach der Rechtsprechung ca 6 Monate lang gültig. Doch auch wenn – eigentlich unzulässigerweise – nach dieser Frist durchsucht wird, führt dies nicht automatisch zu einem Verwertungsverbot hinsichtlich der gefundenen Gegenstände.
Am besten ist es natürlich, von vornherein sicherzustellen, daß überhaupt keine verbotenen Gegenstände im Haus (oder auch Auto) vorhanden sind.
Manchmal erfolgt direkt im Anschluß an die Hausdurchsuchung eine Verhaftung. Hierdurch tritt ein weiterer Überrumpelungseffekt ein, der oftmals ganz gezielt dazu eingesetzt wird, Sie zu einem Geständnis zu bewegen. Lassen Sie sich trotzdem nicht verleiten, irgendetwas zu sagen. Bestehen Sie darauf Ihren Anwalt oder eine Vertrauensperson anzurufen. Spätestens der Ermittlungsrichter – dem Sie am Tag nach der Verhaftung vorgeführt werden müssen – wird Sie telefonieren lassen. Ihr Anwalt wird Sie dann schnellstmöglichst in der Haftanstalt aufsuchen um die Sachlage sowie das weitere Vorgehen mit Ihnen zu besprechen.
AKTENEINSICHT
Erst wenn der Anwalt durch Akteneinsicht den Ermittlungstand und die einzelnen Zeugenaussagen im Detail kennt, kann die eigentliche Verteidigungslinie festgelegt werden. Mit diesem Wissen erörtern wir dann zusammen mit Ihnen, ob weiterhin Schweigen die sinnvollste Verteidigungsstrategie ist oder ob jetzt eine Stellungnahme abgegeben werden soll.
Hat sich der Beschuldigte aber schon vorher durch eine eigene „Verteidigung“ – ohne Aktenkenntnis – in der einen oder anderen Weise festgelegt, kann es sein, daß er sich damit möglicherweise erfolgversprechende Verteidigungsstrategien ein- für alle Mal verbaut hat. Deshalb ist es so wichtig, bis zur Akteneinsicht keine Angaben zu machen.
GESTÄNDNIS UND BEGLEITMASSNAHMEN, „DEAL“
Vorrangiges Ziel der Verteidigung sollte es sein, die Belastungsindizien so gering oder vage wie möglich zu halten, daß ein Tatnachweis nicht zu führen ist.
Grundsätzlich sollte deshalb ein Geständnis das letzte „Verteidigungsmittel“ sein, das eingesetzt wird, wenn alle anderen Stricke reißen, also wenn eine konfrontative auf Freispruch oder Verfahrenseinstellung gerichtete Verteidigung vernünftigerweise keine Aussicht auf Erfolg (mehr) bietet. Ein Geständnis wirkt sich strafmildernd aus, weil es einerseits den Gerichten Arbeit und langwierige Verfahren und den (tatsächlichen oder vermeintlichen) Opfern eine belastende Zeugenaussage erspart.
Soll tatsächlich einmal ein frühes Geständnis abgelegt werden, empfiehlt es sich, dies mit anderen Maßnahmen zu kombinieren:
So kommt z.B. eine Schadenswiedergutmachung oder die „freiwillige“ Aufnahme einer Therapie (z.B. bei Drogen- und Alkoholsucht, Gewaltproblematik oder bei Sexualdelikten) in Betracht. Durch solche Begleitmaßnahmen kann dem Gericht u.U. auch das Argument der Fluchtgefahr genommen werden und Untersuchungshaft abgewendet werden.
Ein Täter-Opfer-Ausgleich (Entschuldigung beim Opfer, zivilrechtlicher Schadensersatz, Schmerzensgeldzahlungen, Herausgabe von Diebesgut etc) wirkt sich stark strafmildernd aus, insb. wenn er frühzeitig, „freiwillig“ und großzügig erfolgt.
Da wenige Täter von sich aus insofern die Initiative ergreifen, lassen solche Maßnahmen die Tat und Täterumstände oft in einem außergewöhnlich günstigem Licht erscheinen. In der Folge werden gerade in solchen Fällen dann manchmal durchaus Strafen verhängt, die sich am untersten Rand des gesetzlich noch möglichen bewegen.
Vorsicht ist geboten im Fall sog. Aufklärungshilfe, also wenn der Täter über seinen eigenen Tatbeitrag hinaus Mittäter benennen oder weitere Taten Dritter offenbaren soll:
Zwar ist hiermit in aller Regel eine nicht unerhebliche Strafmilderung verbunden, die u.U. gar über die Frage, ob nocheinmal Bewährung gewährt werden kann oder nicht, entscheidet. Insb. in Betäubungsmittelverfahren kann hierin sogar oftmals der einzige erfolgversprechende Verteidigungsansatz liegen.
Jedoch birgt derartiges immer die Gefahr, daß hierdurch weitere belastende Umstände mit ans Tageslicht gefördert werden, die vorher nicht bekannt waren oder gar neue Ermittlungsverfahren gegen denjenigen der „auspackt“ in Gang gesetzt werden. Nicht selten entwickelt sich hierdurch eine Art Schneeballsystem in welchem verschiedene Beschuldigte sich wechselseitig immer neuer (tatsächlicher oder erfundener) Straftaten bezichtigen und die Staatsanwaltschaft dankbar hierrauf „einsteigt“.
Ein Geständnis kann aber auch taktisch eingesetzt werden, insb. im Rahmen einer Verfahrensabsprache („Deal“). Hierbei vereinbaren Verteidigung, Staatsanwaltschaft und Gericht eine nach den Umständen des Falles verhältnismässig milde Strafe für den Fall, dass ein Geständnis abgelegt wird. Derartiges kann sinnvoll sein, wenn die Beweislage für den Angeklagten kritisch ist, jedoch trotzdem eine langwierige, für das Gericht aufwändige (und für den Mandanten unverhältnismässig teure) Verhandlung droht. In solchen Konstellationen muss immer sorgfältig das jeweilige Für und Wider abgewogen werden – meist gibt es hier kein „Falsch“ oder „Richtig“. In jedem Fall entscheidet der Mandant eigenverantwortlich, ob er einer Vereinbarung zustimmt oder nicht. Der Gesetzgeber hat dieser besonderen Belastungssituation Rechnung getragen: Ein auf einer Absprache beruhendes Urteil kann immer binnen einer Frist von einer Woche angefochten werden.
PRIVATGUTACHTEN
In verschiedensten Bereichen entsteht die Notwendigkeit, daß das Gericht Sachverständigengutachten einholt, etwa zur Frage der Schuldfähigkeit des Angeklagten, zur Entstehung von Tatspuren oder auch zur Glaubwürdigkeit von Zeugen.
Wie so oft hängt das Ergebnis eines Gutachtens (das für das weitere Verfahren und die konkrete Strafe essentielle Bedeutung hat) von der Person des Sachverständigen ab.
Es kann sich daher durchaus anbieten, nicht das (ungewisse) Ergebnis eines gerichtlichen Gutachtens abzuwarten, sondern ggf privat ein Gutachten einzuholen, daß dann – und nur dann (!) – wenn es zu einem für den Beschuldigten positiven Ergebnis gelangt, in den Prozeß eingeführt wird.
Es gibt eine Reihe durchaus namhafter und anerkannter Sachverständiger, oft Universitätsprofessoren, die im Auftrag der Verteidigung bereit sind staatsanwaltschaftlich oder gerichtlich eingeholte Gutachten auf Fehler zu überprüfen und dann ggf „Gegengutachten“ zu erstatten und auch vor Gericht zu vertreten.
Oft ist dies gar der einzig erfolgversprechende Ansatz eine Wendung zugunsten des Beschuldigten zu bewirken. Denn: In aller Regel kann der Richter nicht „klüger“ als sein Sachverständiger sein. D.h. wenn sich bereits ein negatives Gutachten bei den Akten befindet wird der Richter nur dann hiervon abweichen können, wenn es gelingt, das Gutachten mit Hilfe eines mindestens ebenso kompetenten weiteren Sachverständigen zu erschüttern.
KOSTEN
Eine fachkundige und engagierte Strafverteidigung hat ihren Preis.
Allerdings relativieren sich die Kosten, wenn man sich vor Augen führt, daß jede Haft den Betroffenen beruflich und sozial ruinieren kann, jeder Tag Haft einen oft nicht mehr nachholbaren Verdienstausfall bewirkt.
Selbst wenn es dem Anwalt „nur“ gelingen sollte, dem Betroffenen einen einzigen Monat an Haft zu ersparen, so bedeutet dies einen geldwerten Vorteil in Höhe dessen, was er in eben diesen Monat in Freiheit verdienen kann !
Aber auch wenn einmal „nur“ eine Geldstrafe zu erwarten ist und ggf die Verteidigerkosten diese Strafe zu übersteigen drohen, ist zu bedenken: Sollte wieder einmal ein Strafverfahren eingeleitet werden, nimmt der Richter die Vorstrafe zum Anlaß, beim nächsten Mal eine wesentlich schärfere Sanktion zu verhängen. Auch im Fall relativ geringfügiger Delikte kann eine Verteidigung deshalb durchaus sinnvoll sein, wenn dadurch der Makel einer „Vorstrafe“ abgewendet werden kann.
Die konkreten Kosten eines Strafverfahrens können von Fall zu Fall stark variieren und hängen von einer Vielzahl von Faktoren ab, wobei die Anwaltskosten hierbei nur ein Faktor sind und vom jeweiligen Arbeitsaufwand abhängen:
Ein Verfahren, das sich ggf bereits durch eine frühe Beratung des Betroffenen ganz abwenden oder sich noch im staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren zur Einstellung bringen lässt, wird billiger sein als eine 20-tägige Hauptverhandlung mit zahlreichen Zeugen und Privatsachverständigen – wobei leider zu Beginn eines Verfahrens nicht immer absehbar ist, welches Ausmaß es annehmen wird.
Das Anwaltshonorar wird in der Regel frei vereinbart werden.
Feste Sätze gibt es nur bei den sog. gesetzlichen Gebühren. Diese liegen je nach Verfahrenslauf etwa zwischen ca € 400.- und ca € 1200.-. Ein kostendeckendes Arbeiten ist daher zu den gesetzlichen Sätzen grundsätzlich nur in einfachen Fällen wie etwa Ladendiebstählen mit klarer Beweislage oder Verkehrssachen (Trunkenheitsfahrten, Unfallflucht) etc möglich.
In aufwändigeren oder bedeutenderen Verfahren werden spezialisierte Anwälte in diesem Bereich kaum zu den gesetzlichen Sätzen effektiv arbeiten können, so dass Honorarvereinbarungen zu treffen sind.
Ein erheblicher – wenn nicht sogar der größte – Kostenfaktor sind Sachverständigengutachten: Die Überprüfung eines gerichtlichen Gutachtens darauf, ob es Fehler enthält und überhaupt mit Erfolg angreifbar ist, ist ab ca € 500.- zu haben. Eine substantiierte Stellungnahme („Gegengutachten“) kostet ca € 1500.- bis € 3000.- . Soll eine private Neubegutachtung erfolgen und der Sachverständige zur Verhandlung geladen werden erhöhen sich Kosten entsprechend. In der Regel bewegen sich die Stundensätze kompetenter und anerkannter Gutachter um ca € 150.-. Hinzu kommen Auslagen wie Reise- und Übernachtungskosten.
Eine Pflichtverteidigung wird nur in wenigen Fällen ernstlich in Betracht kommen können:
Zum einen erfolgt eine Beiordnung praktisch immer erst dann, wenn der Tatverdacht sich bereits soweit verdichtet hat, daß eine Anklage und eine Verurteilung aus Sicht der Ermittlungsbehörden wahrscheinlich erscheint. Ziel einer jeden Verteidigung muß es jedoch sein, gerade dies durch frühe Aktivitäten zu verhindern. Der Pflichtverteidiger kommt also in aller Regel zu spät ins Spiel.
Zum anderen sind die Pflichtverteidigersätze so gering bemessen, dass es in vielen Fällen nicht möglich ist, die Zeit zu investieren, die erforderlich ist, den Fall wirklich optimal zu betreuen. Hinzu kommt, daß der Pflichtverteidiger zwar seine Gebühren zunächst aus der Staatskasse vorgestreckt bekommt. Was die meisten nicht wissen ist: Diese werden jedoch als Teil der Verfahrenskosten hinterher dem Angeklagten (erforderlichenfalls auch noch nach Jahren) wieder abverlangt. Auch die Pflichtverteidigung ist also keineswegs kostenlos.
Trotzdem ist natürlich ein Pflichtverteidiger – in der Regel – immer noch besser als gar kein Verteidiger. Aber: Eine Verteidigung, die ohne die erforderlichen Mittel um kostendeckend zu arbeiten und die u.U. erheblichen finanziellen Mittel zur Selbstladung von Zeugen oder Sachverständigen, zur Anfechtung von Gerichtsgutachten durch private Gegengutachten etc, auskommen muß, kann schwerlich auch nur halbwegs optimal agieren.
Rechtsschutzversicherungen übernehmen im Strafrecht grundsätzlich nur dann die Kosten i.H. der gesetzlichen Gebühren, wenn lediglich Fahrlässigkeit vorgeworfen wir. Praktisch kommt eine Übernahme der Kosten durch die Rechtsschutz daher vorwiegend im Bereich der Verkehrsdelikte in Betracht: Etwa bei Trunkenheits- oder Drogenfahrten, fahrlässiger Körperverletzung bzw –Tötung, Gefährdung des Straßenverkehrs etc.
Beim Vorwurf vorsätzlicher Straftaten übernehmen die Rechtsschutzversicherungen keinerlei Kosten und zwar unabhängig davon, ob sich der Vorwurf später als berechtigt oder ungerechtfertigt herausstellt.
Weithin unbekannt ist aber, daß sie in der Regel Geldbeträge bis ca € 50.000.- für eine etwaige Kaution zur Verfügung stellen, wenn dies erforderlich ist um zumindest die Untersuchungshaft abzuwenden.
KOSTENERSTATTUNG, FREISPRUCH UND VERFAHRENSEINSTELLUNG ?
Eine Erstattung von Kosten sieht das Gesetz nur im Fall eines Freispruchs vor.
Die Freispruchquote liegt in Deutschland nur bei ca 2%. Das liegt zum einen daran, daß – wenn sich abzeichnet, daß die Beweislage für die Staatsanwaltschaft zu „wacklig“ ist – diese das Verfahren bereits im Vorverfahren einstellt. Zudem erfolgt ein Freispruch aber auch nur dann, wenn die angeklagte Tat völlig „wegfällt“. Andere Erfolge der Verteidigung – wie etwa geringeres Strafmaß, Verurteilung aufgrund eines milderen Gesetzes – sind keine „Teilfreisprüche“ und führen demgemäß auch zu keiner Kostenerstattung durch die Staatskasse.
Zeichnet sich tatsächlich einmal in der Verhandlung ein echter Freispruch ab, dann tendieren die Gerichte in der Regel dazu, das Verfahren zuvor noch einzustellen – mit der Folge, daß eine Kostenerstattung von vornherein nicht in Betracht kommt.
Ein Freispruch setzt also voraus, daß zuvor Anklage erhoben und verhandelt wurde. Gerade diesen Fall sollte eine Verteidigung aber im Idealfall abwenden: Erstes Ziel einer jeden Verteidigung ist es, das Verfahren im Vorfeld eines Prozesses zur Einstellung zu bringen. In diesem Fall aber gibt es nach dem Gesetz keine Kostenerstattung. Ich halte dies für verfassungswidrig. Die Rechtsprechung hierzu ist jedoch (leider) eindeutig.
Doch auch im Fall eines echten Freispruchs wird der Betroffene faktisch auf dem Großteil seiner Kosten „sitzen bleiben“:
Erstattet werden nämlich nur die sog. „notwendigen Auslagen“. Dies sind lediglich die gesetzlichen Gebührensätze des Verteidigers. Das tatsächliche Honorar, das regelmäßig über diesen Sätzen liegt ist insoweit von der Erstattung ausgeschlossen. Regelmäßig werden auch Fahrt- und Übernachtungskosten des Verteidigers nicht erstattet.
Ob Sachverständigenkosten zu den notwendigen Auslagen zählen und erstattungsfähig sind hängt vom Einzelfall ab. Hier zeichnet sich jedoch seit einiger Zeit eine positive Wendung in der Rechtsprechung ab: Eine gute Chance besteht jedenfalls dann, wenn das Gutachten für das freisprechende Urteil maßgeblich war.
Ein Strafverfahren bedeutet somit für den Betroffenen nicht selten – neben der nervlichen -auch eine erhebliche finanzielle Belastung. Je früher die Verteidigung ansetzen kann, lässt sich u.U. aber auch der finanzielle Aufwand noch in Grenzen halten.